[Impuls] Über Macht-Liebe und Hierarchie-Ablehnung - #1 Was ist Macht?
Aktualisiert: 12. Sept.
Immer wieder ist für mich in Gesprächen eine gewisse Ablehnung gegenüber Hierarchie und Macht zu entdecken. Oft höre ich plakativ "Hierarchie ist der Innovationskiller" oder "Macht ist schlecht". Auf Nachfragen, was denn mit Hierarchie und Macht verbunden wird, kommt alles mögliche - meist mit negativer Konnotation besetzt - zurück.
Hier eine kleine Auswahl:
Wenig Freiheit
Abhängigkeit
Druck
Entscheidungslosigkeit
Überforderung
Distanz
Unpersönlichkeit
Kälte
uvm.
Die Erfahrungen mit Hierarchie und Macht sind meiner Erfahrung meist eher schlecht. Doch heißt das, dass ohne Hierarchie und Macht alles besser ist? Ich denke nicht.
Ich denke Hierarchie und Macht sind absolut notwendig.
In meiner Welt wird mittels Hierarchie beteiligten Organisationseinheiten/ -rollen Macht verliehen um ....
Ja um was eigentlich genau?
Lassen Sie uns das Feld von Hinten aufrollen - ich denke je klarer wir wissen worüber wir reden, desto besser können wir unser Verhalten und unsere Strukturen innerhalb von Organisationen verändern. Also...
Was ist Macht?
Was ist Hierarchie?
Welche Grundprinzipien hat Hierarchie?
Und was kann das für heutige Zeiten bedeuten?
Dazu eine kleine Geschichte vorab - ganz abseits vom Arbeitsleben:
Ich denke jeder Mensch kennt Hierarchie aus seiner Schulzeit. Mehr oder minder schmerzhaft in der Erfahrung. Ein Beispiel: Ein Streit unter Schüler*Innen im Kindesalter bricht aus. Neben Schimpfwörtern fangen erste Fäuste zu fliegen an. Die Situation eskaliert soweit, dass eine Lehrerin dazwischen geht. Dabei entdeckt sie, dass der Streit auf einer Video-Kassette basiert, die das FSK-Logo "ab 18" trägt und somit gar nicht in die Hände der Kinder. Das ist eine außergewöhnliche (Grenz-) Verletzungen, welches "höherer" Kräfte (Eltern, Direktorat, etc.) aus Sicht der Lehrerin benötigt. Nun folgt der "Gang nach Canossa" der Beteiligten um offiziell Buße oder Bitte bei der höchsten Stelle zu tun - dem Direktorat. Die Handlungsoption der Schüler*Innen sind nun eingegrenzt, ebenso die Handlungsoptionen der Lehrerin, die nun weisungsbefugt zum Direktorat ist. Doch grundlegend ist eine weitere Streit-Eskalation der Schüler*Innen ohne Hierarchisch höher Gestellte erst einmal unterbunden.
Diese Erfahrung als Schüler*in ist oft demütigend bzw. beschämend in Ihrem Ausmaß.
Beim "Gang nach Direktorats-Canossa" bilden sich schon die Erwartungsstrukturen in den Köpfen der Kinder:
Jetzt kriegen wir Ärger vom Direx?!
Kriegen wir jetzt einen Verweis?
Was sagen meine Eltern dazu?
Was droht mir dann zuhause?
Was sagen meine Mitschüler dazu?
usw.
Wir können dieselbe Geschichte auch ins Erwachsenen-Jetzt ziehen und dieselbe Erfahrung in einem Unternehmen/ Organisation beschreiben. Ich denke das erübrigt sich und die Übertragung in Ihr jetziges Organisations-Erleben überlasse ich Ihnen.
Eine mögliche Erklärung für Zukünftiges Verhalten:
These auf die Psyche des einzelnen Menschen gesprochen:
Diese oder ähnliche Erfahrungen, können zu einer Ablehnung von Hierarchie - und - zu der Ablehnung von Macht führen. Oder auf der anderen Seite aber auch: zu dem Wunsch des Macht-Gewinns und dem Hierarchie-Aufstieg führen. Oder irgendwo dazwischen.
Ich denke die Pole sind klar.
These auf die Zusammenkunft von Menschen gesprochen, wie eben in Organisationen:
Das Eine ist meist mit dem Anderen verbunden: Macht und Hierarchie.
Aber eben nicht voneinander abhängig - Stichwort "machtlose Hierarchie" - ein Streit hier muss mit der Macht & Hierarchie-Eskalation noch lange nicht zu Ende sein.
Nun zu den Ausgangs-Fragen zurück.
Hier ein paar praktische Erklärungsangebote. (orientiert an Peter Heintel und Falko von Ameln (^1)
Was ist Macht?
1. Macht bildet Erwartungsstrukturen in den Köpfen der Beteiligten

Der Lehrerin wird von den Schülern, die Macht "gegeben" bzw. "zugeschrieben". Die Beteiligten haben alle "Erwartungsstrukturen" was im "Falle der Macht" passieren könnte - Eskalation nach Oben, Eskalation nach Hause, Verlust/ Gewinn, etc. In einer Organisation passiert das ebenso - je höher die Macht, desto stärker die Erwartungsstrukturen in den Köpfen der Beteiligten.
Damit auch - ohne Macht, keine Konfliktregulation - oder in dem Falle: keine Deeskalation.
2. Macht ist ein Konfliktregulationsmechanismus

Die Lehrerin und das Direktorat reguliert den Konflikt. Die Beteiligten haben auch hier "Erwartungsstrukturen" was im "Falle der Regulation" passieren könnte - Strafen, Entscheidungsverlust, Vertagung, Anfeuern, etc. In einer Organisation passiert das ebenso - Macht reguliert Konflikte über Entscheidungen. Sie führt oft zu Entscheidungen oder auch zu Nicht-Entscheidungen - und kann so den Konflikt am Leben erhalten, ihn auch anschüren oder ihn lösen - je nach Regulation.
Aus der Kombination aus Erwartungsstrukturen und Konfliktregulation ergibt sich eine Beeinflussung von Handlungsoptionen.
3. Macht beeinflusst Handlungsoptionen

In diesem Fall - die Macht-Habende Person, i.e. die Lehrerin - beeinflusst die Handlungsoptionen der Beteiligten: 1. Aufhören und der Erwartungen der Lehrerin folgen oder 2. die Erwartungen der Lehrerin missachten und eventuelle Konsequenzen tragen. So folgen hier in diesem Beispiel die Schüler*Innen den Erwartungen der Lehrerin und ein Konfliktregulationsmechanismus tritt zu Tage. Die Beteiligten können sich jedoch zu jeder Zeit Anders entscheiden und unterliegen damit auch keinem Zwang.
Die Definition zu Zwang im Sinne von Macht definiere ich hier noch etwas Anders.
4. Zur Unterscheidung von Macht und Zwang:
Zwang steuert die Selektivität des Gegenübers

In diesem Fall bedeutet Zwang: Die Androhung und/oder Ausführung von Gewalt im Handeln oder in der Sprache. In früheren Zeiten war an Schulen Schellen, mit dem Lineal auf die Finger schlagen und Anderes erlaubt. In meinem Verständnis ist dies Zwang. Denn dieser Zwang steuert die Selektivität der beteiligten Schüler*Innen - sonst passiert Gewalt, die Wahl wird also direkt, mittels Gewalt, beeinflusst.
Auch Zwang kann in Organisationen vorhanden sein - sexuelle Ausbeutung ist eine der Funktionen in denen Macht zu Zwang wird - ich möchte hier jedoch die Unterscheidung treffen:
Macht beeinflusst Handlungsoptionen unter Androhung von Konsequenzen
Zwang steuert die Selektivität der Beteiligten durch Gewaltanwendung.
Und Hierarchie? Und welchen Grundprinzipien kann sie folgen?
Mehr dazu demnächst...
Zusätzliche Quellen:
^1: 2016 - Macht in Organisationen - Peter Heintel und Falko von Ameln - Springer Verlag - 978-3791034720